Teil 1

Im "Vollen Becher" Koji lehnt sich zurück und wirft einen kurzen Blick zur Tür als um ihn herum geraunt wird. Er sieht einen schlanken, dunkelhaarigen jungen Mann hereinkommen. Der Bursche ist in eine leichte Lederrüstung gekleidet. Das ist nichts besonderes, aber die große Bronzeplakette auf seiner Brust weist ihn als einen dieser famosen, hochgelobten, völlig überflüssigen Drachenreiter aus. Koji schnaubt kurz. Die Reiter machen seit etwa 2 Wochen Jagd auf die Banden und das sehr erfolgreich. Sie sind äußerst schlecht für das Geschäft. Es ist selten, einen dieser Männer in der Stadt zu sehen. Normalerweise bleiben sie unter sich und kümmern sich um ihre Tiere. Koji wirft einen genaueren Blick auf den jungen Mann. Gar nicht übel ... Ein feingeschnittenes Gesicht, gebräunte Haut, ein geschmeidiger Körper. Nicht sehr muskulös, aber gut gebaut und kein Gramm Fett. Das interessanteste sind seine Augen. Sie funkeln wie dunkler Bernstein, durch den Sonnenlicht fällt. Koji betrachtet sie fasziniert. Der Neuankömmling bleibt kurz stehen, bis sich seine Augen an das Halbdunkel in der Taverne gewöhnt haben. Dann geht er entschlossen zur Theke. Er ignoriert die Blicke der anderen Gäste. "Ein Bier." Koji wendet sich wieder seinem Weinkrug zu, lauscht aber mit einem Ohr in Richtung Theke. Der Wirt schiebt einen gefüllten Krug über den Tresen. Seinem Gesicht nach hätte er es lieber ausgekippt. Der "Volle Becher" lebt gut von den Banden, viele kommen hierher um ihre Beute zu vertrinken und sich mit den Mädchen zu amüsieren. Jetzt sind die Wegelagerer entweder im Gefängnis oder halten sich extrem versteckt. Andere halten sich nicht so zurück. "Hey du!" Eine Hand greift an seine Schulter. Takuto wischt sie weg und dreht sich langsam um. Er hatte kaum an seinem Bier genippt. Vier häßliche, zerlumpte Gestalten stehen vor ihm, der Anführer ist etwa eineinhalb Köpfe größer als er. Takuto seufzt leise. In jeder Stadt ist es das gleiche. Sie werden zu vielen Einsätzen gerufen, speziell wenn die lokalen Kräfte mit dem Problem nicht zurecht kommen. Das bedeutet, das sie überall jemandem im Weg sind. Entweder eifersüchtigen Wachen oder übergangenen Ratgebern oder Generälen, die ihr Gesicht waren wollen. Verflucht, es gab schon Ärger mit einer Mätresse, die ihren Einfluß bei irgendeinem Grafen gefährdet sah. Dazu kommen die Freunde der Leute, die sie inhaftieren. Normalerweise bleiben die Reiter unter sich, leben zusammen und pflegen ihre Drachen. Aber ihm fiel heute abend einfach die Decke auf den Kopf, er wollte die Stadt, die er bisher nur vom Überfliegen her kannte, mal direkt sehen. Wie ist er nur auf die Idee gekommen, in diesem verkommenen Viertel direkt am Hafen eine Taverne aufzusuchen? Takuto wird grob aus seinen Überlegungen gerissen. Der Anführer baut sich dicht vor ihm auf und hüllt ihn in seinen stinkenden Atem. "Solltest du nicht lieber Milch trinken? Es könnte dem Ruf dieser Taverne schaden, Kindern Bier zu verkaufen." Die anderen lachen wiehernd. "Eine Taverne mit euch als Gästen braucht sich um ihren Ruf nicht mehr zu kümmern." Die Antwort bringt die 4 dazu, ernsthaft einige Sekunden nachzudenken. Wahre Schnellmerker. Als der große den Sinn begriffen hat, baut er sich noch näher auf und knurrt: "Wie kommt ein Kind dazu, so ein Monster zu lenken? Es heißt, nur echte Männer werden dafür ausgewählt. Ein magerer Hering wie du taugt nicht mal als Drachenfutter. Du hast dir die Rüstung bestimmt nur geliehen, gibs zu." Takuto grinst kurz. Er denkt an Tetsu`ko, seinen Drachen. Die Bemerkung mit dem Futter hätte ihn bestimmt dazu gebracht, angewidert die Nase zu rümpfen. Dieser Drache ist ein echter Feinschmecker. Er frißt nur frisches Rind, alles andere wird von ihm verschmäht. Er mag die meisten Menschen nicht mal vom Geruch her. "Es kommt bei einem Mann nicht auf die Größe seines Körpers an. Ein Drache macht aus dem stärksten Mann Kleinholz, wenn es ihm so paßt. Nur wer einen starken Willen hat, eignet sich zum Reiter. Aber den Unterschied brauche ich dir nicht zu erklären, du verstehst ihn ja doch nicht." Koji saugt die Luft ein. Der Junge sucht offensichtlich Streit, in seinen Augen leuchtet kaltes Feuer. Bei den Schlägern vor ihm könnte das böse schief gehen. Der große schlägt sofort zu. Der Junge weicht nicht mal aus, er blockt den Schlag mit seinem Arm und trifft den Anführer zielsicher im Solar Plexus. (Bereich direkt unterhalb des Brustbeins. Wer da fest getroffen wird, sieht Sternchen.) Der Große sackt zusammen, er wird für einige Zeit nur noch nach Luft schnappen. Der zweite wird mit einem Tritt in den Magen empfangen und nimmt eine kleine Auszeit. Der dritte greift mit einem Stuhl an. Takuto gleitet beiseite und tritt ihm die Beine weg. Der Mann schlägt punktgenau mit seinem Kinn auf die Theke auf. Der macht erst mal keinen Ärger mehr. Der vierte probiert es mit einer Flasche. Takuto weicht dem Schlag aus und greift sich die Hand seines Gegners. Er überdreht das Handgelenk, so daß der Mann die Flasche fallen lassen muß. Danach dreht er das Gesicht zu sich und stößt mit der Stirn auf die Nasenwurzel. Sein Gegner sinkt nur noch in sich zusammen. Takuto läßt ihn auf den Boden gleiten, als er plötzlich hinter sich jemanden fallen hört. Er wirbelt herum. Der Große wollte ihn von hinten mit einem Messer angreifen und hätte ihn auch erwischt ... . Ein schwerer Krug hat den Mann am Kopf getroffen und zu Boden gebracht. Takuto sieht hoch, über den gestürzten Schläger hinweg. Er sieht in die Augen eines großen, hellblonden Mannes auf dessen Gesicht ein Grinsen liegt. "Wenn du keine Rüstung tragen würdest, könnte man dich für einen erstklassigen Schläger halten. Paß aber besser auf deinen Rücken auf, sonst endet deine Karriere sehr schnell." Takuto schluckt eine bissige Bemerkung herunter. Der Fremde hat ihm gerade die Haut gerettet und er weiß das. "Danke." Er hat für heute die Lust auf Stadterkundungen verloren. Takuto wirft ein paar Münzen auf die Theke und wendet sich zum Gehen. Der Blonde hält ihn zurück. "Du schuldest mir einen Krug Wein. Wie sieht es aus?" Takuto wurde noch nie von einem Fremden aufgefordert, mit ihm zu reden, geschweige denn zu trinken. Er ist verblüfft. "Ja, das stimmt. Jetzt?" "Willst du etwa einen Schuldschein dafür ausstellen? Los, setzt dich und bring etwas zu trinken mit."