Teil 2

Koji schüttelt den Kopf. Er hatte den Jungen an seinen Tisch geholt, um etwas über die Reiter und ihre nächsten Einsätze zu erfahren. Am Anfang war er eher schüchtern und brachte keinen Ton heraus. Dann stellte Koji die entscheidende Frage: "Erzähl mir doch etwas über eure Drachen, ich weiß so gut wie nichts von ihnen." Der Bursche redete jetzt seit geschlagenen 2 Stunden über Drachen. Wie man sie füttert, wie toll es ist zu fliegen, wie sensibel sie sind .... Als ob ihn das interessiert. Er hatte gemerkt, das der Junge eher langsam trank, also nötigte er ihm einen Krug Wein nach dem anderen auf. Der Wirt brachte die Krüge äußerst eifrig und mit einem schmierigen Grinsen. Die Wangen des Burschen sind gerötet, er hat inzwischen Schwierigkeiten, klar zu sprechen. Trotzdem läßt er sich nicht ausfragen, er redet nur über sein Lieblingsthema - Drachen. Koji stoppt ihn mit einer Handbewegung. "Hast du eigentlich kein anderes Thema? Ich habe jetzt mehr über diese Tiere erfahren als in meinem ganzen Leben vorher. Tut ihr sonst nichts?" Der Bursche wird rot. Er sieht dabei so süß aus, das sich Koji zusammenreißen muß. Er hat einen hervorragenden Ruf als Dieb, wie als Ladykiller. Seine Eroberungen sind zahlreich, er gilt als jemand, der alles bekommt, was er haben will - sowohl was Frauen angeht als auch sonst. Der Junge paßt einfach nicht in sein Konzept. Wieso hat er das Bedürfnis, ihn zu streicheln? Und wieso redet er sich die ganze Zeit ein, sein Interesse sei streng geschäftlich? "Nein, tut mir leid. Eigentlich dreht sich bei uns alles nur um Drachen, ihre Ausbildung und wie man sie fliegt. Aber was machst du eigentlich, Koji?" "Och, nichts besonderes. Ich gehe hier in der Stadt diversen Geschäften nach. Eher langweilig." Die Antwort bringt einige der umsitzenden zum feixen. Jeder hier kennt ihn und weiß, was seine "Geschäfte" so sind. Der Bursche hat sich als Takuto Izumi vorgestellt. Höflich, gleich den ganzen Namen zu nennen. Seine Erfahrungen mit anderen Leuten sind aber eher minimal. "Seit wann bist du bei den Reitern?" "Seit 10 Jahren, ich wurde mit sieben ausgewählt." "Dann bist du jetzt genauso alt wie ich. Und du hast nie etwas anderes getan?" Takuto zuckt leicht zusammen. Die Frage bringt ihn völlig aus dem Konzept. "Nein ... es gibt nichts anderes für mich. Als ich ausgewählt wurde war klar, das mein ganzes Leben bei und mit den Drachen stattfindet." Koji fühlt -- Mitleid?? Unmöglich! "Und was ist mit Mädchen?" "Sie würden eh nur die 2. Rolle spielen." Takuto ist das Gespräch unangenehm, er trinkt aus und steht auf. Besser, er versucht es. Der Junge hält sich erst mal am Tisch fest, bis der Raum aufhört sich zu drehen. Koji grinst breit. "Probleme?" "Nein. Ich muß los. Es war nett, dich kennengelernt zu haben. Bis dann mal." Er verläßt halbwegs gerade die Taverne und schlägt die Richtung zum Palast ein. Koji springt auf. Er wird sich nicht so einfach abservieren lassen. "In deinem Zustand findest du kaum zurück. Ich begleite dich." Der Bursche dreht sich zu Koji um, in seinen Augen glüht wieder ein wildes Feuer. "Ich finde den Weg allein, vielen Dank. Ich brauche keine Begleitung." Koji ist überrascht über die heftige Abfuhr, trotzdem folgt er dem Jungen. Er kann gar nicht anders .... Als er die Taverne verläßt, ist der Bursche schon an der Straßenecke. Koji fallen sofort die dunklen Gestalten auf, die sich nah an den Hauswänden halten. Verflucht, nicht jetzt auch noch Straßenräuber. Der Junge ist in keinem Zustand zu kämpfen. Er selbst will sich eigentlich auch nicht mit denen anlegen, immerhin sind sie mindestens ... 3? Nein, 5, zwei weitere haben sich hinten in den Schatten versteckt als Reserve. Takuto ist schwindelig, er stützt sich an einer Hausecke ab und lehnt gebeugt dagegen. Es waren doch ein oder zwei Krüge Wein zuviel. Er verträgt wirklich nichts, sein Magen rebelliert heftig. Als er hochsieht, nimmt er die Straßenräuber wahr. Noch bevor er sich in Kampfposition bringen kann, steht Koji neben ihm und greift ihn unter. "Du verdammter Holzkopf, willst du auf der Straße zusammenbrechen? Wo mußt du hin?" Die Schatten verschmelzen mit denen der Häuser, plötzlich sind die Männer verschwunden. Koji ist seinem schlechten Ruf ausgesprochen dankbar. Nicht, das er nicht gekämpft hätte, aber so ist es wesentlich angenehmer. Takuto versucht vergeblich, den Arm wegzustoßen. Schließlich gibt er auf und stützt sich darauf. "Ich muß zum Palast, unsere Quartiere sind dort. Und der Pferch mit den Drachen." Ach ja, die Drachen. Koji bringt Takuto bis zum Schloßbereich. Gerade, als er ihn verabschieden will, hört er ein lautes, aggressives Fauchen und wird von einer riesigen Tatze mit gewaltigen Krallen zu Boden gerissen. Die Tatze ist so groß, das das Tier nur eine Kralle mitten auf seiner Brust positionieren kann. Die anderen Krallen liegen eng neben seinem Körper, schließen ihn ein wie in einem Käfig. Takuto taumelt kurz als Koji umgerissen wird. Er fällt auf die Knie und sieht sich um. Da steht Tetsu`Ko und preßt Koji auf den Boden. Takuto ist auf der Stelle nüchtern. "Laß ihn los! Tetsu`Ko, laß ihn los, er ist keine Bedrohung!" Der Große Drache bezüngelt Takuto sorgfältig mit seiner gegabelten Zunge. Er ist etwa 20 Schritt lang, davon entfallen 7 Schritt auf seinen Körper und der Rest auf Schwanz und Hals. Seine Haut ist von braunen bis goldenen oder bronzenen Schuppen bedeckt, je nachdem, wie das Licht darauffällt. Seine Flügel sind ordentlich an den Rücken gefaltet. Er hat große, dunkle Augen, in denen jetzt keine Pupille zu erkennen ist. Nachdem er sich überzeugt hat, das Takuto offensichtlich unversehrt ist, lockert er seinen Griff etwas, läßt Koji aber nicht los. Takuto richtet sich auf und sieht den Drachen fest an. Seine Augen funkeln scharf. "Laß ihn sofort los." Er schreit nicht mal, seine Stimme ist fest, ruhig und klar. Koji ist verblüfft, der Bursche verwandelt sich vor seinen Augen von einem netten, naiven, leicht angesäuselten Jungen in einen Mann, der eine Forderung ausspricht ohne Widerstand zu erwarten. Der Drache läßt Koji los und tritt einen Schritt zurück. Er beugt seinen Kopf zu Takuto und erwartet offensichtlich, von ihm gestreichelt zu werden. Takuto ignoriert die Aufforderung und hilft erst mal Koji auf. "Tut mir leid, ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist. Zu Fremden hält er sonst viel Distanz, er mag sie einfach nicht. Bist du verletzt?" "Das er mich nicht mag, habe ich gemerkt." Koji sieht an sich herunter. Der Drache hat ihn nicht mal gekratzt. "Aufpassen kann er, das muß man ihn lassen." Wie auf Stichwort drängelt sich ein schuppiger Kopf zwischen die beiden, drängt Takuto sanft zurück und beäugt Koji argwöhnisch. Takuto seufzt. "Keine Ahnung, was mit ihm los ist. Danke, das du mich nach Hause gebracht hast, die Straßen hier sind wirklich nicht sicher. Bist du morgen wieder im "Vollen Becher"?" "Ich denke schon. Schau doch vorbei, wenn du Lust hast. Aber laß dein Schoßtier besser zu Hause, es könnte Ärger geben. Apropos Ärger: Hast du morgen viel zu tun?" Takuto krault den Nacken seines Reittiers: "Wir sind unterwegs. Es gibt noch mindestens eine große Bande in den Bergen - zumindest jetzt noch." "Viel Erfolg!" Koji winkt zum Abschied und verschwindet in einer der Gassen hinter dem Platz. Das heißt, das in der Stadt und im Hafen freie Bahn sein wird, da die Reiter durch Wachen unterstützt werden. Hmmm ... Das schreit nach einem kleinen Coup .... Die Taverne ist immer noch gut gefüllt. Koji geht, ohne sich umzusehen, ins Hinterzimmer. Er wird bereits von mehreren Männern erwartet. Sie erheben sich und beobachten ihn aufmerksam, ohne ein Wort. "Morgen ist der Palast nahezu unbewacht. Genau die richtige Gelegenheit für einen kleinen Besuch. Shibuya ..." Koji wendet sich dem blonden Jungen zu, hinter dessen Babyface sich ein gerissener und schlauer Taktiker verbirgt, "du kümmerst dich um die vorderen Wachen. Lenke sie mit einem kleinen Streit ab. Nuruk und Gunji werden mich begleiten. Die anderen sichern den Rückzug." Nuruk zögert. "Was soll ich tun?" Er ist extrem unsicher, wie immer, wenn Koji ihn für etwas einteilt. Nuruk hat den Körper eines Hünen, mit seinen 2,10m und ist muskelbepackt. Aber sein Verstand ist irgendwann nicht mehr mitgewachsen. Koji sieht ihn ruhig an: "Du mußt mich abseilen und wieder hochziehen. Das kannst du." Der Hüne nickt beruhigt. Koji beugt sich vor. "Besprechen wir die Einzelheiten ...."