Teil 1

 

All seinen Sorgen zum Trotz macht sich Takuto im Morgengrauen mit Tetsu'ko auf den Weg zum großen Hort. Er hat nicht besonders gut geschlafen, Tetsu'ko hat ihn die ganze Nacht zwischen Hals und Vorderpfoten eingeklemmt.

Die Morgensonne taucht die Sturmberge in ein weiches, mystisches Licht. Die Berge schimmern in allen Rot und Goldtönen, die Luft selbst ist golden und geradezu berauschend klar. Takuto sieht unter sich die Wüste weit dahingestreckt, nachdem die letzten Ausläufer der Berge hinter ihm liegen. Bald schimmert der Palast des Imperators mit seiner riesigen Weiß-Kristallenen Kuppel vor ihm.

Halblinks davon reckt sich der gewaltige Berg, in dessen schroffen Gipfel der große Hort bereits seit Jahrhunderten untergebracht ist. Dieser Berg war Drachenhort, seitdem es Menschen gibt, die darüber berichten konnten - und wahrscheinlich schon Äonen vorher. Im Augenblick sind 16 Drachen da, 12 Bronze- und 4 Silberdrachen. In letzter Zeit gab es viel Pech mit den Nachzuchten, darum haben sich die wenigen Weibchen über das Meer auf den unbewohnten Ostkontinent zurückgezogen, um in Ruhe brüten zu können. Jetzt sind nur die Drachen im Hort, die sich mit einem Menschen verbunden haben.

Tetsu'ko landet weich im Flugloch und wird von seinen Kameraden gleich mit begeistertem Zischen, Knurren und Brummen empfangen.Takuto sieht sich das ganze lächelnd an und geht zum Versammlungssaal. Hier ist er jetzt erst mal überflüssig, bis sich die Drachen ausgiebig unterhalten haben.

 

Kurz vor der großen Besprechung sammeln sich die Reiter im Saal. Sie stehen in kleinen Gruppen zusammen und unterhalten sich. Takuto wird von seinen Flügelkameraden freudig begrüßt und gleich mit den neuesten Neuigkeiten versorgt.

Zwei Silberdrachenreiter beobachten die Szene verstohlen. "Der Kleine soll mit einem Mann zusammenleben in Yakazu. Vielleicht sollte ich mich auch dahin versetzen lassen." "Wie? Ich denke, du stehst auf Mädchen?" Larn knurrt unwillig. "Klar sind mir Mädels lieber. Aber du darfst ja nichts hier. Wir dürfen nicht heiraten und ins Bordell dürfen wir auch nicht. Wenn du versuchst, mit einem der Dienstmädchen was anzufangen, hast du gleich die

Sittenwächter hinter dir stehen. Das hält doch kein Mann aus!"

Miguel klopft ihm auf die Schulter. "Das wird schon wieder. Auf deinem Drachen hast du das alles sofort wieder vergessen. Wir bezahlen nun mal für dieses Privileg - auch damit."

Larn mustert den Jungen. "Ein Mädchen ist mir wirklich lieber. Aber es wäre eine Möglichkeit, das Verbot zu umgehen. Was meinst du - wenn der Bursche auf Männer steht, vielleicht kann ich ihn zu einem kleinen Spaß überreden."

Miguel winkt ab. "Ich kenne ihn ein wenig. Der ist so stur, da hast du keine Chance. Nimm lieber ein kaltes Bad, das ist sinnvoller."

Bevor Larn mehr sagen kann, betritt der Kommandeur der Drachenreiter den Saal. Die Reiter nehmen Platz und hören aufmerksam zu.

"Es gibt Gerüchte, daß jemand versucht den Imperator zu stürzen. Wir müssen erhöhte Wachsamkeit walten lassen. Alle 4 Silberdrachen werden ihn und den Palast rund um die Uhr abwechselnd bewachen. Die Reiter melden sich gleich bei mir für ihre Schichten. Die 2 Flügel der Bronzedrachen bleiben in Alarmbereitschaft. Alle Reiter haben Ausgangssperre, ihr werdet bei euren Drachen bleiben und auf einen möglichen Einsatz warten. Reiter Izumi bleibt hier bis die Gerüchte widerlegt sind. Solange wird Yakazu ungesichert bleiben können. Wir brauchen jetzt jeden Drachen."

Die Männer reden aufgeregt durcheinander und stellen Fragen. Der Kommandeur winkt ab. "Ich kann euch nichts genaues sagen. Bleibt auf jeden Fall auf euren Posten und haltet euch bereit."

Der Kommandeur winkt die 4 Reiter und beide Flügelführer zu sich, um mit ihnen die Details zu besprechen. Für die restlichen Reiter ist die Versammlung beendet.

Aufgeregt kehren die Männer in die Drachenhöhle zurück und besprechen die neuen Informationen. Vermutungen werden geäußert, Fragen gestellt - es ist ein heilloses Durcheinander.

 

Schließlich kommt einer der Jungs auf eine gute Idee: "Das bringt doch alles nichts. Wenn wir schon hier sind - laßt uns eine Runde spielen. Ich habe

schon ewig kein Polo mehr gespielt." Diese Idee wird begeistert aufgegriffen. In kürzester Zeit sind alle Bronzedrachen in der Luft. Drachenpolo ist ein spannendes Spiel. Die Reiter haben ca. 2m lange Schläger und einen großen, nicht zu schweren Ball. Ziel des Spiels ist es, den Ball durch ein Tor zu schlagen. Man darf ihn nicht festhalten und der Drache darf ihn nicht ins

Maul nehmen. Alle Reiter spielen gegeneinander und versuchen, sich den Ball abzujagen. Es ist streng verboten, einen anderen zu berühren oder gar zu verletzen. Und natürlich darf der Ball nie auf den Boden fallen. Die Drachen haben riesigen Spaß an dem Spiel und toben mit ihren Reitern nur so herum. Einer der Bronzedrachen ist noch ein sehr junges Tier.

Er kam als Ersatz für den, den im letzten Jahr in den Sturmbergen getötet wurde. Die größeren, erfahreneren Drachen lassen ihm und seinem auch noch recht jungen Reiter immer mal einen kleinen Vorteil. Kurz- es macht richtig Spaß.

Der kleine Drache ist gerade dabei, den Ball durch das Tor zu schnippen, als plötzlich ein Silberdrache genau vor ihm hochschießt, ihm den Ball abnimmt und selber den Punkt macht.

Die Reiter stutzen. Normalerweise spielen die Silberdrachen nie mit. Sie sind etwas größer und eleganter als die Bronzedrachen - und sehr viel schneller.

Blitzartig haben die 4 das Spiel an sich gerissen und führen die Bronzedrachen geradezu vor. Mal abgesehen, daß die 4 auch noch zusammen arbeiten.

Tetsu'ko knurrt unwillig.

Verdammte, arrogante Spielverderber!

Zwei der silbernen Drachen schnippen den Ball zwischen sich hin und her. Tetsu'ko steigt hoch auf, faltet seine Flügel an seinen Körper und stürzt nach unten, auf sie zu. Takuto kann sich gerade noch überrascht halten. Tetsu'ko schlägt genau zwischen ihnen einen Salto und Takuto schafft es, den Ball mit einem heftigen Schlag durch das Tor zu befördern.

Die Drachen beenden das Spiel und landen. Einer der Reiter springt von seinem Silberdrachen und baut sich vor Takuto auf "Bist du völlig durchgedreht? Du hättest uns verletzen können." Der Junge wirft seinen Kopf zurück: "Habe ich aber nicht! Tetsu'ko hat genau gewußt, was er tut." Die anderen Reiter scharen sich um die beiden, es sieht schon fast nach einem Streit aus. Die

Zwei starren sich wütend an. Schließlich dreht sich der Silberdrachenreiter weg und verzieht sich schimpfend. Die anderen Reiter verstreuen sich auch, um sich um die Drachen zu kümmern.

Bis auf einen.

"Ich habe gehört, du bist mit so einem Kerl zusammen, in Yakazu. Wie ist es, sich von einem Typen küssen zu lassen? Hast du kein Mädchen gefunden, das dich will?" Takuto zuckt unter den beißenden Worten zusammen. Der Silberdrachenreiter verzieht sein Gesicht spöttisch. "Oh ja, es ist hier schon jedem bekannt. Ein Wunder, daß Hisaya an dir festhält. Oder machst du

für den auch die Beine breit?"

"Ihr habt kranke Ideen! Was ich tue und mit wem ich zusammen bin ist allein meine Sache, solange meine Aufgabe darunter nicht leidet."

Der Mann grinst breit.

Die Reiter der Silberdrachen sind die persönliche Leibwache des Imperators. Sie haben einen höheren Rang als die Reiter der Bronzedrachen. Ein Silberdrachenreiter soll perfekt sein.

Larn ist groß, etwas 1,85 m und durchtrainiert. Seine blonden Haare umspielen weich seine Schultern. Takuto will an ihm vorbeigehen. Er wird plötzlich gepackt und an die Wand gedrückt. Der Kerl hält sein Kinn fest, küßt ihn grob, preßt seine Lippen besitzergreifend auf seine, erkundet mit seiner Zunge Takutos Mund. Für einen Moment ist der Junge überrascht. Damit hatte Takuto nicht gerechnet.

Nach einem langen Augenblick fängt er sich und zieht sein Knie an. Der Mann knickt laut fluchend in der Körpermitte ein. "Du kleiner Mistkerl, das bezahlst du mir." Takuto zwingt sich, ruhig zu bleiben. "Ihr habt zwar einen höheren Rang als ich, aber trotzdem kein Recht auf meinen Körper. Wen ich an mich heran lasse, entscheide nur ich. Jetzt entschuldigt mich, ich habe zu tun." Takuto geht, ohne ein weiteres Wort an ihn zu verschwenden. Larn blickt

ihn mit vor Schmerzen tränenden Augen nach. "Dafür will ich dich vor mir auf den Knien sehen. Wenn du es mit irgendeinem Kerl treiben kannst, dann auch mit mir."