Teil 6

Noch vor Sonnenuntergang schifft sich Koji auf einem kleinen Segler unter den mißtrauischen Blicken der Hafenwachen mit Shibuya, Nuruk und einigen anderen Männern ein. Die Summe von 500 Goldstücken lockt - außerdem reizt ihn die Aufgabe, eine zukünftige Königin zu rauben und dem König zurückzubringen. Der kleine Segler gleitet durch ein kompliziertes Grotten- und Höhlensystem unter den Sturmbergen hindurch. Koji kennt sich hier zu einem guten Teil aus, den Rest kennt Nuruk. Der Hüne hatte sich sein halbes Leben lang hier versteckt, weil die meisten Menschen einfach Angst vor seinem riesigen Körper, seinen Bärenkräften und seiner Unberechenbarkeit haben. Erst Koji hatte ihn heraus geholt und als seinen persönlichen Leibwächter zu sich genommen - eine Tatsache, für die Nuruk ihm sehr dankbar ist. Obwohl Koji noch nie einen persönlichen Leibwächter nötig hatte ...

Nachdem der Segler eine ganze Tagesspanne in völliger Dunkelheit dahin geglitten ist, sehen sie nach einer Biegung gleißendes Licht vor sich schimmern. Das Wasser unter ihnen leuchtet türkisfarben, geheimnisvolle Wesen scheinen ihnen daraus zuzuwinken. Einige der Männer murmeln ängstlich "Nixen!", für sie ist das hier ein verwunschener Ort. Koji lächelt nur. Er mag diesen Platz, in dieser Grotte ist das Licht selbst ein kostbares Juwel in einer Fassung aus Wasser und Kristallen im Fels. Sie gleiten weiter durch die Grotte. Jetzt ist der große Einschnitt im Fels sichtbar und eine kleine Barriere aus Steinen scheint sich vor ihnen aufzutürmen. Koji steuert geschickt daran vorbei. An einer Stufe scharrt der Kiel kurz über Grund, dann liegt das Boot wieder richtig im Wasser und läßt sich zusammen mit dem kleinen, lebhaften Bach im Richtung Wüste tragen. Genau dafür hatte Koji ein Boot mit wenig Tiefgang ausgewählt. Der Bach führt sehr versteckt an Rand der Wüste entlang.

Jemand, der so dreist ist, den Imperator herauszufordern, braucht eine gute Festung, die versteckt liegt. Shibuya hat bereits entsprechende Erkundigungen eingeholt. Seine Informationen sind interessant. Danach wird die Prinzessin entweder direkt in Arrakas oder auf einer kleinen Fluchtburg am Rand der Wüste, auf einem großen Felsen festgehalten.

In früheren Zeiten diente diese Fluchtburg -Gordion- Rebellen jeder Couleur - abtrünnigen Rittern, fanatischen Sektierern oder unehrlichen Händlern, als Unterschlupf.

In den letzten 100 Jahren stand sie leer, bis ein eher unbekannter Fürst, ein Emporkömmling aus irgendeinem Wüstenvolk, sie in Beschlag genommen hat. Genau der Typ Mann, für den Macht alles ist.

Koji ist überzeugt: Wenn, dann ist dies der einzige Ort zwischen der Hauptstadt und Yakazu um so eine wichtige Person zu verstecken. Der Segler wird sie bis an den Fuß dieses Felsen bringen.

Ab da ist Koji auf sein Geschick und seine Männer angewiesen.

Nachdem Koji Yakazu verlassen hatte, rüstet sich auch die Leibwache des Königs zum Aufbruch. König Boltis hält es nicht in seinem prachtvollen Schloß. Er will seiner Liebsten so nah wie möglich sein und macht sich auf den Weg zu dem Ort, wo sie zuletzt gesehen wurde. Irgendeine Oase in der Wüste.

Kaum erreichen König Boltis und seinen Mannen den Fuß der Sturmberge, suchen sie sich einen Lagerplatz für die Nacht. Sie finden ein kleines Wäldchen, das sie geradezu einlädt.

Der Tag neigt sich bereits dem Ende zu und alle sind ausgesprochen erschöpft vom anstrengenden Auf- und Abstieg. König Boltis steht sich zerknirscht ein, das er ein wenig zu häufig auf den weichen Kissen seines Schlosses liegt, anstatt seinen Körper zu kräftigen. Das Feuer knistert gemütlich, der Koch bereitet etwas gutes zu essen. Trotz der Sorge um seine Prinzessin fühlt sich Boltis geradezu aufgekratzt. Er war schon seit Ewigkeiten nicht mehr außerhalb der Stadtmauern. Alles ist spannend und aufregend.

Er sitzt mit seinem Ratgeber und seiner Leibwache gerade beim Essen als plötzlich dunkle Gestalten aus den Büschen springen. Die Wachen sind im Nu überwältigt, bevor auch nur einer seine Waffe zücken kann. Der Anführer der Bande, ein großer, grobschlächtiger, ziemlich schmutziger Kerl, verneigt sich spöttisch vor dem König. "Welch eine Ehre, so hoher Besuch bei uns. Seid willkommen!"

"Wie könnt Ihr es wagen? Auf einen Angriff auf ein Mitglied der königlichen Linie steht die Todesstrafe!" König Boltis ist vor Zorn dunkelrot geworden. Der Bandit grinst nur. "Für euch werde ich ein nettes Lösegeld bekommen. Da wir nicht mehr auf dem Paß arbeiten können - verflucht sei dieser Drache! - nutze ich diese Gelegenheit!"

Der Mann wendet sich an seine Leute.

"Setzt den König und diese Stümper von Wachen fest. Wir wollen doch nicht, daß er verletzt und damit sein Wert gemindert wird."

Unter Fluchen, Schimpfen und viel Gelächter werden die überrumpelten Wachen und ihr König in Ketten gelegt und an einige Bäume in einem versteckten Felswinkel gekettet.

So bleibt Boltis nichts übrig, als fluchend auf seine Befreiung - sei es durch Lösegeld, sei es durch seine Männer (was er nicht glaubt) - zu warten.