Teil 7

Er wacht langsam auf. Sein erster Eindruck sind heftige Kopfschmerzen. Als er an seinen Kopf fassen will, stellt er fest, das es nicht geht. Seine Hände sind über seinem Kopf festgebunden, er steht an einer Felswand. Besser gesagt, er hängt. Er kann sich kaum mit den Zehenspitzen auf dem Boden abstützen. Er ist in einer großen Höhle, irgendwo tröpfelt Wasser. Die Felswand ist eiskalt, eine Kälte, die langsam in seinen Körper kriecht. Neben ihm steht Koji an derselben Wand. Die Fesseln haben sich tief in seine Handgelenke gebissen, er hat eine Schwellung im Gesicht und einige Blutergüsse, aber ansonsten scheint es ihm gut zu gehen. Er streitet sich gerade mit jemandem. "Bist du von allen guten Geistern verlassen? Das Ikaru wahnsinnig ist, weiß ich. Aber du? Ihr könnt nicht glauben, damit durchzukommen. Ich bin nur ein Dieb. Aber der Kleine wird böse gerächt werden, wenn ihm etwas zustößt." Koji klingt erst mal zornig, eine Spur Besorgtheit in seiner Stimme kann er allerdings nicht verbergen. Der rothaarige Mann zuckt nur mit den Schultern. "Wir verschwinden noch heute Nacht. Yakazu wird uns nie mehr wiedersehen. Aber .." und dabei sieht er Koji scharf an, " wir lassen uns von niemanden zum Narren machen. Dein Eingreifen hat mich um 40 Goldstücke und einige gute Männer gebracht. Dafür wirst du teuer bezahlen. Da dir der Kleine so am Herzen liegt, darfst du seine Leiche beklagen. Es ist unter meiner Würde, einen dreckigen kleinen Dieb zu töten. Aber wenn du redest, wird der König dich sofort hinrichten lassen. Er braucht einen Schuldigen, und wenn er uns nicht kriegen kann, wird er mit dir auch zufrieden sein." Linus richtet sich auf und streckt seinen muskulösen Körper. "Außerdem ist Ikaru ganz versessen auf den Jungen. Nicht einmal dieser verfluchte Drache könnte ihn davon abhalten, den Burschen zu ...." In dem Augenblick fällt sein Blick auf Izumi, der ihn mit großen, entsetzten Augen ansieht. Takuto hatte mit einem Kampf, sogar mit seinem Tod gerechnet. Aber das .... Langsam verschwindet die Angst aus seinem Blick und wird durch Zorn ersetzt. "Mistkerl. Mach mich los, dann ..." Linus grinst nur. Er stellt sich vor Izumi und schubst ihn leicht an. Sein Körper schwingt etwas, die Fesseln schneiden grausam in seine Handgelenke. "Schade um dich. Dein Temperament ist richtig erfrischend. Wenn Ikaru mit dir fertig ist, wirst du weder so hübsch noch so wild sein." Er dreht Izumis Kopf, begutachtet die Beule auf der Seite. "Nicht so schlimm. Das ist dein geringstes Problem." Ikaru kommt aus dem Dunkel hervor. Er wirft einen kurzen Blick auf Takuto und knurrt Linus böse an. "Laß dich nicht auf Diskussionen mit diesem Straßenköter ein. Und denk dran - der Bursche gehört mir." Linus zuckt wieder genervt die Schultern. Er tritt zurück und macht eine großzügige Handbewegung in Richtung Izumi. "Bedien dich." Koji reißt wütend an seinen Fesseln, knirscht mit den Zähnen. Sehr zu Linus' Belustigung. Ikaru ignoriert ihn völlig. Er tritt dicht an Izumi heran und hebt sein Kinn mit seinem Zeigefinger. Izumi funkelt ihn zornig an. Bevor er etwas sagen kann, küßt Ikaru ihn auf den Mund. Takuto preßt seine Lippen fest aufeinander, Ikaru greift sein Kinn fester und beißt in seine Unterlippe um seinen Mund aufzuzwingen. Erfolglos. Verdammter Dickkopf. Mit einem leisen Fluch löst sich der Hüne von seinem Opfer. Er überlegt kurz. Ikaru zieht sein Messer und läßt es leicht über Kojis gestreckten Arm laufen. Er ritzt nicht mal die Haut, nur eine feine rote Linie zeigt, wo die Spitze langgezogen wurde. Er starrt Takuto an. Der sieht zu Koji. Koji schüttelt den Kopf. Takuto seufzt und schließt die Augen. Als sich jetzt Ikarus Mund auf seinen preßt, wehrt er sich nicht mehr so heftig. Ikaru muß seine Lippen zwar immer noch aufzwingen, kann aber dann den Mund des Jungen mit seiner Zunge erkunden. Was er ausgiebig und sehr genießerisch tut. Als er sich etwas atemlos von Izumi löst, funkeln ihn dessen braune Augen wütend an. Ikaru lächelt böse. Er hat für diese Nacht mehr geplant, viel mehr. Der Junge hat Temperament und Stolz und er will ihn genießen. Normalerweise jammern und weinen seine Bettgenossen vor Angst, noch bevor er sie angefaßt hat. Das hier ist etwas anderes. Etwas ganz anderes. Er hebt den Jungen an und zieht das Seil von dem Wandhaken. Kaum spürt Takuto Boden unter den Füßen, tritt er mit voller Kraft in Ikarus Magen. Die Antwort ist ein kurzer Fluch und eine heftige Ohrfeige. Takuto taumelt gegen die Wand, wird von Ikaru gepackt und hochgehoben. Ohne ein weiteres Wort verschwindet der Mann mit seiner Last im Dunkel in eine der Nebenhöhlen. Koji kann ihm nur nachsehen. Noch nie hat er jemanden so gehaßt wie jetzt Ikaru. Und noch nie hat er solche Angst um jemanden gehabt wie jetzt um Izumi. Angst hilft ihm nicht weiter, also konzentriert er sich auf seinen Haß und zieht genug Energie daraus, um seine Fesseln über den Metallhaken zu reiben. Es tut höllisch weh und er sieht kaum Fortschritt. Außerdem muß er es möglichst unauffällig tun, damit Linus nicht mißtrauisch wird. Aber das ist besser, als nur an der Wand zu stehen und an das zu denken, was Ikaru jetzt vielleicht Izumi antut. Koji beißt die Zähne fester zusammen und verdoppelt seine Anstrengungen. Linus streckt sich inzwischen auf seiner Decke aus um sich auszuruhen. Er wirft einen kurzen Blick zu Koji und grinst. "Da kannst du zerren, soviel du willst. Das ist bestes Büffelleder. Die Riemen halten bis zu deiner Beerdigung." Koji zerbeißt einen Fluch auf seinen Lippen und inspiziert seine Fesseln genauer. Natürlich! Seine Hände sind aneinander gefesselt und dann einfach über den Haken gehängt worden. Wenn er es schafft, die Hände über den Haken zu hieven, ist er beinahe frei! Nicht ganz einfach, wenn man völlig überstreckt an diesem Haken aufgehängt ist ..... Ein Schrei läßt sie beide zusammenfahren. Unterdrückte, gedämpfte Laute waren immer wieder zu hören gewesen. Dieser Schrei ist anders. Laut und schrill, ohrenbetäubend, voller Qual hallt er durch die dunkle Höhle. Koji fühlt sein Innerstes zerreißen. Er beißt seine Lippe blutig ohne es auch nur zu merken. Selbst Linus wird es zuviel. Er steht auf und geht einige Schritte in Richtung der dunklen Ecke, in die Ikaru verschwunden ist. "Bring es zu Ende verdammt. Wenn er noch mal so schreit, schneide ich ihm selbst die Kehle durch." Koji nutzt die Ablenkung. Er zieht sich an den Fesseln hoch und klemmt einen Fuß über den Haken. Das entlastet die Handfesseln gerade genug, daß er sie darüber ziehen kann. Koji springt auf den Boden und taucht in die Dunkelheit der Höhle ab. Er weiß noch nicht, wie er - ohne Waffen, gefesselt - Izumi helfen kann. Aber er wird alles tun, was möglich ist. Selbst wenn es sein Leben kosten sollte .... Weit entfernt, auf einer Felsenklippe über dem Meer hockt ein kleines Häufchen Elend in Gestalt eines großen, verzweifelten Drachen. Plötzlich hebt er seinen Kopf in den Wind, sichernd, prüfend ..... Langsam, zögernd hebt er sich in den Wind und fliegt gegen die Brise, auf die Berge zu ... Linus schimpft inzwischen wie ein Bierkutscher. "Du verdammter Straßenköter! Ich hätte dich gleich erledigen sollen. Los, Koji, komm heraus. Ich verspreche auch, dich nicht zu töten." Ha! Koji lächelt humorlos. Das glaubst auch nur du! Im Dunkeln sucht er nach einer scharfen Felskante, um die Lederriemen aufzumachen. Alles, was er findet sind Stalaktiten und ein paar Felsbrocken. Er greift sich mit seinen gefesselten Händen einen und schleicht langsam an Linus heran. Er kommt nicht nah genug. Linus ist zu wachsam, um ihn jetzt erfolgreich niederzustrecken. Koji weiß, das Geduld bei einem Raubzug oft der entscheidende Faktor ist. Noch nie war es für ihn so schwer. Nicht mit den Geräuschen im Hintergrund, die ihm deutlich sagen, was gerade passiert. Und er kommt einfach nicht an Linus vorbei ....